Glück, Spiel, Stil: Gerd Dembowskis “Fussball vs. Countrymusik”
„Ich bin der glücklichste Mensch der Welt. So wollte ich schon immer einen Text beginnen.“ Der das zum Auftakt einer Sammlung in den letzten Jahren erschienener Artikel schreibt, ist Gerd Dembowski, Jahrgang 1972, ausgewiesener Experte für all das, was den Fußball so schön und oft genug so schrecklich macht.
Zum Beispiel Schalke, der ewige ‘Meister der Herzen’: „Es ist schlimm genug, im deutschlandfernen Urlaub Landsleute zu treffen. Aber Schalker – das toppt selbst dieses Unwohlsein.“ Dembowski eröffnet seine Nachtgedanken zu Schalke mit einigen Wahrheiten über Gelsenkirchen - „eine Stadt, die im Ruhrgebiet ein Pseudonym für hochgeklappte Bürgersteige im Dauerzustand ist“ -, spielt weiter zur dumpfen „Glas-und Plastik-Turnhalle“ Arena, und kommt mit dem schon klassischen Urteil Ailtons zum Abschluss: „Alles, was ich bisher über Gelsenkirchen gehört habe, ist ein Desaster.“
Sympathisch an Dembowskis Texten ist die Leidenschaft für das Spiel, für Country und für seine englische Freundin (Balkon in Brighton); ist sein Haß auf Nazis und „Fifa-Zumseln“ (Bei Blatter), seine Penetranz, mit der es sich nicht nehmen lässt, nochmal die schwarzen Geschichten des Sommermärchens 06 (Nationale Krämpfe im neuen Design) zu präsentieren: Den dumpfen Suff und Haß auf der Berliner Fanmeile, das nationalistische Delirium der Medien und last not least all den traurigen Unsinn, den Klaus Theweleit von sich gab (Vertheweleitet).
Weniger angenehm liest sich die an den deutschen Fußball der Vorklinsmann-Ära erinnernde Rumpelprosa, in der einige Beiträge geschrieben sind. Ein falsches „Pseudonym“ durch ein richtiges „Synonym“ zu ersetzen und die Redundanzen zu streichen, wäre Aufgabe eines Lektorats gewesen. Für sprachtoten Akademikerslang, der „verortet“ und „hinterfragt“, „thematisiert“ und „unter die Oberfläche schaut“, um schließlich pompös-steifhüftig wie Kahn „die langfristigen Auswirkungen der sichtbaren Änderungen des Fußballs in Deutschland“ zu beurteilen, ist der Autor selbst verantwortlich.
Und wenn ein Buch tatsächlich, wie es Jörg Fauser mal gesagt hat, nach dem beurteilt werden muß, was den Menschen ausmacht, dem Stil, dann ist Fussball vs. Countrymusik ein engagiertes und interessantes, aber jedenfalls ein widersprüchliches Buch. Denn Stil ist eben nichts, was man mal so eben über den Inhalt kippen könnte – eine übrigens ebenso falsche Vorstellung wie die Dembowskis, wenn er bei Johnny Cash „zwei entscheidende Fehler“ auszumachen meint (Freiheit am Horizont: Querpässe mit Johnny Cash): Cash ohne seine Fehler wäre eben nicht Cash. Stil hat etwas damit zu tun, wie bierernst man die eigenen Ressentiments und gut internationalistischen Überzeugungen nimmt. Dann kommt man nicht in Versuchung, Cash kategorisieren zu wollen, läßt den offenbar frisch entdeckten Veganismus auch mal aus einem Text raus und mokiert sich in einem Buch, das sich so wahnsinnig toll antisexistisch gibt, nicht über eine Fußballfunktionärsgattin, die für sich das Recht in Anspruch nimmt, ihr Leid mit Schminke zu übertünchen. Warum Dembowski manchmal so daneben langt, weiß ich nicht, vielleicht ist Berlin-Friedrichshain schuld, dieser kleingeistige Bezirk, in dem er, wenn nicht unterwegs, wohnt; und noch weniger weiß ich, warum er in einigen Passagen dann doch so einen Flow hinkriegt, der auch den Leser zu einem glücklichen Menschen macht:
„Durchkreuzst du mit Cashs Musik im Zug dieses schreckliche Deutschland zu irgendwelchen Auswärtsfahrten des FC St. Pauli, kannst du ab und an erahnen, was Freiheit bedeuten könnte. Dir wird klar, dass sie nicht in diesem Land kauert, sondern irgendwo am Horizont. Und du begreifst, dass jede Auswärtsfahrt ein Ritual ist, diesen Horizont zu erreichen. Ein pathologisch-masochistisches Ritual, da du dein Ziel innerhalb dieses Schweinesystems Fußball nie erreichst. Denn jedes Ritual, jede Abhängigkeit muss deiner Freiheit sogleich im Wege stehen. Wenn du es verstehst, hinzuhören und dabei Country zu werden, macht dir Cash das bewußt: deine Furcht vor der Freiheit, den illusionären Ersatz, das Symbol, das du dir zusammengezimmert hast: den so oft überstrapazierten ‘Mythos’ St. Pauli.“
Gerd Dembowski: Fussball vs. Countrymusik Essay, Satiren, Antifolk PapyRossa Verlag, Köln 2007
Eine gekürzte Fassung in taz vom 22. 12. 07
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