Der Heuschnupfen - gekillt!

Allgemein — admin on April 29, 2012 at 23:13

„Die Hygiene-These besagt, dass die arbeitslosen Abwehrkörper sich neue Feinde schaffen.” So weit, so geil, so Wikipedia: Denn was ist das für eine reiche Formulierung! Was einem da alles einfällt: Der Verfassungsschutz zum Beispiel, der ganze Sicherheitswahn. Aber wollen wir nicht mit dem Thema anfangen?

Ich bin geheilt. Ich habe keinen Heuschnupfen mehr. Seit vier Jahren.

Als damals die Bäume grünten und die Akazienpollen lustig durch die Gassen tollten, ging ich zu meiner Ärztin. Ich sah mich schon als reichen Mann. Irgendein besonderes Gen musste ich doch haben, dass ich jetzt plötzlich gesund war. Mein Ärztin würde es mir abzapfen, daraus würde ein Medikament „generiert” und dann: endlich ein wenig Luxus in meinem Leben!

Weit gefehlt. Dass jenseits der vierzig die Pflanzenallergie verschwinde, sei so normal wie Erektionsstörungen. Sagte mein Ärztin. Und sah mich über den Rand ihrer Lesebrille kopfschüttelnd an.

Also blieb ich einfach nur gesund. Und das ist ja nun nicht wenig. Der Heuschnupfen hat mir zumindest eine Liebesbeziehung - und weiß Gott nicht die unwichtigste - kaputt gemacht. Denn wenn zwischen März und Juli morgens um sieben erst mal zwanzig Mal geniest wird, dann ist das Ehebett kein Ort der Lüste oder wenigstens der Freundlichkeiten mehr, sondern ein Pfühl des Hasses. Mir ist ein anderer Fall bekannt, wo die Niesattacke einen Bandscheibenvorfall auslöste, der zu monatelangem Nicht-die-Wasserkästen-Hochtragenkönnen führte; und das überleben moderne Ehen nur ganz, ganz selten.

Aber um mit Qualtingers „Der Herr Karl” zu sprechen: „Es hat auch schöne Momente gegeben.” In Italien betrat ich einst eine Farmacia, schilderte mein Problem und bekam ein gelbes Schächtelchen ausgehändigt. Lecker - vor allem zusammen mit einer Flasche Brunello. Irgendwo zwischen Benzedrin und Rüganer Bio-Grass; eben ganz eigenartige Wirkung (als Nebeneffekt ging auch der Heuschnupfen weg). In Deutschland trabte ich mit der Packung für Nachschub in die Apotheke. Der Medizinmann musterte mich wie ein bayerischer Polizist einen schwarzafrikanischen Drogendealer. Nein, ich hatte kein Rezept; und bekam auch keines.

Und nun? Ist es schon so weit gekommen, dass ich gar nicht mehr richtig mitleiden kann, wenn jemand sich beklagt und sich nicht am Frühling freut. Falls ich mich dann mal zu FDP-mäßig fühle im Verhältnis zu den Schnupfenopfern, gehe ich zu Freunden. Die haben zwei Katzen: echte Drecksviecher!

taz

0 Comments

Noch keine Kommentare.

RSS-Feed für Kommentare zu diesem Beitrag.

Leider ist die Kommentarfunktion zur Zeit deaktiviert.

This work is licensed under a Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 2.5 License. | Ambros Waibel