„Wir wollen das hier nicht”

Allgemein, Mafia und Anti-Mafia — admin on Juli 24, 2012 at 21:03

Die NPD-Nazis wollten in aller Ruhe ihr Pressefest in Pasewalk feiern. Warum daraus nichts wird, erklärt Bürgermeister Rainer Dambach.

taz: Herr Dambach, am 10. und 11. August möchte die NPD das Pressefest der Parteizeitung Deutsche Stimme bei Ihnen in Pasewalk feiern - rund um einen ehemaligen Schweinestall. Sehen Sie Möglichkeiten, diese Veranstaltung zu verhindern?

Rainer Dambach: Wir haben uns mit der Rechtslage intensiv beschäftigt. Die Veranstalter haben nicht vor, in dem Schweinestall zu feiern - das könnten wir baurechtlich verhindern. Die wollen das unter freiem Himmel veranstalten. Nach den genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen sehen wir keinen Ansatzpunkt, wie wir das auf einem Privatgelände verhindern könnten.

Wie viele Teilnehmer erwarten Sie?

600 sagt der Veranstalter - statt der 2.000 bei früheren Festen. Wir rechnen mit 1.000 - Pasewalk liegt ja nicht wirklich zentral. Die Veranstalter wollen alle Auflagen erfüllen. Sie versuchen im Vorfeld mit einer weichgespülten Variante sämtliche Genehmigungsvorbehalte auszuhebeln. Es gibt aber eine sehr enge Zusammenarbeit aller Behörden, wir kennen das Gelände schon, da finden ja regelmäßig rechte Veranstaltungen statt. Die Behörden werden genau darauf achten, ob es bei dem Fest zu verfassungsfeindlichen, menschenverachtenden oder volksverhetzenden Äußerungen oder gar Handlungen kommt. Das Ganze wird inzwischen auch als öffentliche Veranstaltung beurteilt, sodass die Presse nach Versammlungsgesetz freien Zugang haben muss.

Wie ist denn das Umfeld, in dem dieses Fest stattfinden soll?

Jeder, der nicht blind ist, sieht, dass es hier ein Naziproblem gibt. Auch jeder Investor. Als Bürgermeister der Stadt Pasewalk komme ich durch diese Veranstaltung bundesweit in ein schlechtes Licht. Dabei ist Pasewalk keine extreme Nazistadt, im ganzen Bundesgebiet gibt es schließlich Probleme mit neonazistischen Strukturen. Nach dem NSU-Skandal sollte dies auch dem Letzten klar geworden sein. Hier haben wir einen NPD-Stadtrat, der ist immer noch einer zu viel. Von der Bundes- und Landespolitik werden wir vor Ort im Kampf gegen die Nazis leider auch nicht immer glänzend unterstützt. Hier in Mecklenburg-Vorpommern positionieren sich zwar Ministerpräsident Sellering und Innenminister Caffier eindeutig gegen rechts. Nur: Die konkreten Handlungen fehlen manchmal, zum Beispiel in der Schulpolitik. Es fehlt die Auseinandersetzung mit dem rechtsextremistischen Gedankengut auf allen gesellschaftlichen Ebenen - jedenfalls bisher. Da müssen wir Demokraten gemeinsam ganz neue, aktive und langfristige Formen entwickeln.

Pasewalk hat eine Ausländerquote von gut 2 Prozent. Können diese Menschen in Pasewalk ruhig leben?

Ich glaube, schon. Man wird hier nicht offen bedroht. Aber viele fühlen sich sicherlich eingeschüchtert von den Nazis. Die demokratischen Aktionen während der Naziveranstaltung dienen auch dazu, etwas gegen diese Einschüchterung zu tun. Und nach außen soll klar werden: Wir wollen das hier nicht. Das ist nicht die Mehrheit der Bevölkerung. Das ist eine ärgerliche Minderheit.

Nun hat sich ein Aktionsbündnis mit dem Motto „Vorpommern: weltoffen, demokratisch, bunt!” gegen das Nazifest gebildet. Sind Sie dabei?

Ich bin als Behördenvertreter zu strikter Neutralität verpflichtet. Und so verhalten wir uns hier auch. Als demokratischer Bürger habe ich mit zu dem Aktionsbündnis aufgerufen und unterstütze die Aktivitäten voll und ganz.

Den Unterschied haben die Nazis akzeptiert?

Nein. Es gab den üblichen juristischen Kleinkrieg. Jetzt wurde mir eine Unterlassungsklage an den Hals gehängt, weil ich zur Gründung des Aktionsbündnisses auf der städtischen Homepage mitaufgerufen habe. Dagegen haben wir uns natürlich juristisch gewehrt.

Wie läuft es mit dem Aktionsbündnis?

Ganz gut. Wir haben eine hohe Teilnehmerzahl aus dem ganzen Landkreis und darüber hinaus. Und der Zulauf ist nicht nur groß, sondern auch beständig. Sogar nachdem einige Namen von Teilnehmern und Zitate aus dem Gründungsprotokoll auf einer NPD-Webseite gelandet sind. Aber die Pasewalker und die Leute in Vorpommern lassen sich nicht einschüchtern. Es gibt eine neue Qualität der Auseinandersetzung mit den Nazis. Das hat mich positiv überrascht.

Was soll denn am 10. /11. August konkret passieren?

Es wird eine Menschenkette geben, die sich von Pasewalk über knapp vier Kilometer bis in die Nähe des Veranstaltungsorts in Viereck erstrecken soll. Dazu braucht man gut 2.000 Leute. Im Anschluss werden sich die Leute in Pasewalk auf dem Marktplatz sammeln zu einem Demokratiefest. Wie das genau ablaufen wird, damit beschäftigen sich gerade die Arbeitsgruppen des Aktionsbündnisses.

Und danach? Ist dann alles wieder gut und braun in Vorpommern?

Nein. Sicher werden wir erst mal durchatmen, wenn wir hoffentlich alles erfolgreich gestaltet haben. Aber das stabil weiterzuführen, das ist die Zielsetzung. Das ist nicht einfach. Es gibt hier in der Region - mit lokalen Unterschieden - festgefügte neonazistische Strukturen. Das muss leider so anerkannt werden, und das wird jetzt endlich auch parteiübergreifend so anerkannt. Dass es bei manchem Lokalpolitiker noch nicht als drängendes Problem gesehen wird - das ist wohl auch so; aber nicht aufseiten der Ordnungs- und Sicherheitskräfte. Und wir freuen uns natürlich auch über andere Gäste als die Braunen: Gäste, die uns unterstützen und die mit uns feiern.

Herr Dambach, Sie kommen ursprünglich aus Baden-Württemberg, sind seit acht Jahren Bürgermeister in Pasewalk, sind kürzlich wiedergewählt worden. Haben Sie ihr Engagement schon mal bereut?

Man hat am Anfang gesagt, die Pasewalker werden nie einen „Ausländer” zum Bürgermeister machen. Das war dann zunächst eine Art Betriebsunfall, dass ich gewählt wurde. Man hat schon zu tun hier. Aber die Akzeptanz ist gewachsen.

RAINER DAMBACH

geb. 1952, ist Bürgermeister der Stadt Pasewalk.

taz

http://www.vorpommern-weltoffen-demokratisch-bunt.eu/wp/

Fausers 25. Todestag

Über Jörg Fauser — admin on Juli 14, 2012 at 17:27

ist am 17. 7. , sein, 68. Geburtstag am 16. 7.  Hier ein hübscher Artikel:

http://www.tagesspiegel.de/berlin/fausers-naechte/6877518.html

Kolumne Blicke: Hoffnung für die Barbaren

Allgemein, Kolumne Blicke — admin on Juni 21, 2012 at 21:00

Essen muss jeder, zum Essen einladen muss man niemanden. Schon gar nicht nach Hause: Man kann in ein Restaurant gehen. Billiger ist zu Hause. Ob es auch schöner ist - kommt drauf an.

Ein Reihenhaus an der Peripherie einer arbeitsamen Kleinstadt. Die Wohnung nett, gar nicht Boheme. Die Gastgeber eher leicht in Opposition zur ihrer Heimat. Der Tisch war gedeckt, nicht festlich, aber auch nicht geschmacklos - keine achteckigen Teller und so. Man bekam Wasser, nach der Anreise hatte man ja Durst. Die Gastgeberin servierte dem heimischen Kind vorab Nudeln mit Butter. Der Hausherr rührte die Soße. Es war seine zweite an diesem Tag, denn neben der ersten war ihm eine Weinflasche geplatzt. Er hatte die erste Soße weggeschmissen, weil er nicht völlig hatte ausschließen können, dass sie Scherben enthalten hätte.

Der Hausherr entnahm dem Kühlschrank - immer munter plaudernd - eine Flasche Schaumwein. Eine schöne Flasche. Er ging zum Schrank und nahm die entsprechenden Gläser heraus. Sie waren nicht aus Kristall und hatte keine lustigen Aufdrucke. Er schenkte ein. Die Gläser lagen gut in der Hand. Der Hausherr erzählte nicht, wo der Schaumwein herkam noch wo er ihn erworben noch was er gekostet. Als alle ein volles Glas hatten, stießen wir an und tranken.

Das Getränk war kühl und schmeckte hervorragend. Der Hausherr stand auf, entnahm dem Ofen frische, mit Gemüse belegte Teigfladen, stellte sie auf einem großen Brett auf den Tisch und zerteilte sie handgerecht. Wir griffen zu, aßen und tranken und redeten. Der Hausherr schenkte nach, stand auf und holte eine zweite Flasche. Die tranken wir halb aus. Das Kind hatte fertig gegessen und ging spielen, später sangen wir noch Lieder zusammen. Die Hausherrin zündet sich eine Zigarette an, die Fenster standen offen, draußen fiel warmer Regen. Ich tat es es ihr gleich, nachdem ich meine Finger an der bereitliegenden Serviette gesäubert hatte. Einer einfachen weißen Papierserviette, die neben dem Teller lag.

Der Hausherr räumte die Schaumweingläser ab, die Hausherrin servierte die Nudeln mit der Soße. Der Hausherr kam mit einer Flasche Weißwein und neuen Gläsern. Er sagte, es sei warm, und ob deswegen alle mit Weißwein einverstanden seien. Das war der Fall. Zu und nach den Nudeln gab es mehr vom gleichen Wein, man musste nicht fragen. Wasser gab es eh.

Dann stand der Hausherr auf und brachte eine ganze Salami, rohen Schinken, vier verschiedene Käse und Brot. Und es gab frische Servietten. Danach aßen wir Erdbeeren, die irgendwie verfeinert waren, ich erinnere mich nicht, weil ich mich auf Nachspeisen nicht verstehe. Anschließend tranken wir Kaffee, ohne das man um ihn hätte bitten müssen, dazu den Digestif der Gegend. Den konsumierten wir bis zum Aufbruch. Der Hausherr trank ein Bier. Ich war sehr glücklich, als wir uns zum Abschied alle küssten. Bemerkenswert, dass ich für solche Abende fast immer bis nach Italien fahren muss. Aber die Lombarden stammen von den Langobarden ab. Und die waren ja Deutsche. Es gibt also noch Hoffnung für die Barbaren.

taz

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